Es gibt im deutschsprachigen Raum kaum Möglichkeiten, einen Motorrad-Hersteller einmal direkt im Werk zu besuchen und sich die Produktion des geliebten zweirädigen Spielzeugs ansehen zu können. Neben KTM im österreichischen Mattighofen bleibt da im Moment nur das BMW-Werk in Spandau, und ehrlich gesagt, wollte ich da schon seit ewigen Zeiten mal hin.
Der Eingang zum Werk ist dabei doch eher nüchtern gehalten. Der Anmeldebereich ist ein einfacher Pförtnerbau, in dem man bis zur Werksbesichtigung wartet. Die Schlichtheit des Wartebereichs lässt Schlimmes vermuten, aber das bewahrheitet sich zum Glück nicht. Auf los geht’s also los und der junge Kommunikations-Profi nimmt die Gruppe in Empfang und erklärt zuerst mal die Regeln des Besuches. Die da sind: 1. Nix anfassen, 2. NIEMALS die gelben Korridore verlassen und 3. Alle Herzschrittmacher ausmachen, denn die reagieren empfindlich auf die elektromagnetischen Felder, die es in der Produktion gibt. Kann auch sein, dass man die Herzschrittmacher nicht ausmachen sollte, sondern nur Bescheid geben, ob man solch eine Todesfalle im Leibe trägt, damit die kritischen Bereiche großzügig umgangen werden können. Nun ja, wir alle konnten und wollten überall hin.
Der erste Weg führt zum Besucherpavillon, den man mitten aufs Werksgelände gesetzt hat. Leider dürfen sich Besucher nicht frei auf diesem Gelände bewegen, so dass man da nicht ohne Hilfe hinkommt. Also bewegt sich die Gruppe im Gänsemarsch hinter dem Tour Guide über das heilige Gelände und erreicht schließlich den Pavillon, in dem es neben Kaffee und Wasser die
neuesten BMW als Aussteller zu sehen und zu besteigen gibt. Im Falle der R Nine T übrigens noch bevor diese wirklich an die Kunden ausgeliefert werden. Es folgt noch ein kurzer Imagefilm, der über die Marke BMW Motorrad informieren soll, und dann geht es Richtung Produktionsgebäude.
Den ersten Einblick erhält der geneigte Besucher dann in der so genannten Mechanischen Fertigung, also dem Teil der Fabrik, in dem die Motoren und deren Teile gefertigt werden. Zunächst einmal erfolgt eine ausführliche Beschreibung der Fertigung von Kurbelwellen und Pleuel anhand der Exponate aller Fertigungsstufen, die gut sicht- und bedienbar an Schautafeln
montiert sind. Die Vor- und Nachteile des Langlochbohrens werden ebenso diskutiert wie das Cracken der Pleuel, eine Einzigartigkeit bei BMW. Denn die Pleuel werden nicht geschnitten oder gesägt, sondern tatsächlich auseinander
gebrochen, um ihre beiden Hälften über die Kurbelwellen zu bekommen. Die einzelnen Fräs-, Polier- und Bohrmaschinen sind dabei in dieser Werkhalle live im Einsatz zu bestaunen, ebenso wie die Montagebänder der Motoren – in unserem Fall beispielhaft der luftgekühlte Boxer und der Sechszylinder-Motor. Nach einer weiteren Einführung in den Arbeitsschutz und die Arbeitsplatzergonomie geht es dann weiter ins Teilelager, in dem sich in diesem Moment die Auspuffe des neuen Wasserboxer zu Hunderten herum lungern bzw. auf ihren Einsatz warten. Die Debatte dreht sich also jetzt um Just-in-Time-Verfahren, Lagerlogistik, Sicherheitsbereiche in Produktion und Lager uvm.
Wir verlassen schließlich den ersten Teil des Rundganges und begeben uns in eine zweite Halle, in der die eigentliche Geburt der Baureihen R1200GS und F800GS stattfindet. Und lernen beispielsweise, dass kein BMW-Mitarbeiter
am Band mehr als 4 Kilo Gewicht heben muss, dass die Arbeitsplätze sich vollautomatisch auf die Größe des Mitarbeiters einstellen und dass man manche Export-Modelle am nicht vorhandenen LED-Blinker erkennen kann. Egal, das eigentlich
faszinierende ist doch der Zusammenbau einer R1200GS von der Hochzeit des Motors mit dem Rahmen bis hin zur Endkontrolle. Noch viel faszinierender ist es dann, einem Testfahrer ins einer Testkabine, die zufällig mit riesigen Fenster
versehen ist, zuzusehen, wie er den Motor einer jungfräulichen BMW anwirft und mal eben bis in den Begrenzer dreht, um dann das ABS auf der Rolle immer wieder in den Regelbereich zu fahren. Man kann auf dem Rollenprüfstand ab 20 Km/h sogar die Füße auf die Rasten stellen und richtig Motorrad fahren, ohne dass sich die BMW von der Stelle rührt.
Mich wollten sie aber nicht wirklich fahren lassen. Sauerei eigentlich.
Also, um das mal kurz abzurunden, wer sich für Zweiradtechnik interessiert, dem kann man nur raten, fahrt selbst nach
Berlin-Spandau und schaut es euch an! Wir wurden drei Stunden lang geführt und bekamen jede Menge Einblicke in die Entstehung eines Motorrades. Es hat sich gelohnt!